Letzte Hilfe

Kennen Sie die Schlacht von Solferino? Wenn Sie für das Deutsche Rote Kreuz arbeiten, könnten Sie vielleicht schon von ihr gehört haben.
Die Schlacht von Solferino im Jahre 1859 war die Entscheidungsschlacht im Sardinischen Krieg. 150.000 Sardinier und Franzosen kämpften gegen 130.000 Österreicher. Nach der Schlacht, welche die Sardinier mit ihren Verbündeten gewonnen hatten, lagen auf dem Schlachtfeld 30.000 verwundete, sterbende und tote Soldaten.

Neben vielen anderen leistete auch ein junger Mann namens Henri Dunant den Verwundeten „Erste Hilfe“ und den im Sterben liegenden Soldaten „Letzte Hilfe“.
Mit folgenden Worten wurde über ihn berichtet: „Dunant versuchte nach besten Kräften zu helfen. Er kniete neben schwer Verwundeten, die ihn anflehten an ihrer Seite zu bleiben, bis zum letzten Atemzug, damit sie nicht alleine sterben sollten.“
Nach dieser Schlacht gründete Henri Dunant das Rote Kreuz.

Vermutlich hilft Ihnen dieser Bericht, den Begriff „Letzte Hilfe“ besser zu verstehen. Mit „Letzte Hilfe“ sind Maßnahmen zur Hilfe bei lebensbedrohlichen Erkrankungen mit dem primären Ziel, das Leid zu lindern und die Lebensqualität zu erhalten, gemeint.
Dr. Georg Bollig, ein Palliativmediziner aus Norddeutschland, entwickelte ab 2010 so genannte Letzte Hilfe-Kurse, in denen interessierte Laien in vier Stunden Grundkenntnisse der Sterbebegleitung gewinnen können.

Hubertus Pantlen, Alten- und Altenheimseelsorger
Kath. Pfarrei St. Franziskus Frankfurt

Start der Kurse

Am 31. Juli 2020 fand der erste Letzte Hilfe-Kurs in unserer Pfarrei St. Franziskus Frankfurt statt. Es gab für diesen Kurs 19 Anmeldungen. Aufgrund der Coronaauflagen konnten nur maximal 15 Damen und Herren teilnehmen. In vier Stunden erhielten die Teilnehmer*innen Grundinformationen zum Thema Sterbebegleitung. Es gab großes Interesse an den Themen. Viele Fragen wurden gestellt und beantwortet. Leider konnten meine Kollegin Andrea Hußlein und ich wegen der Kürze der Zeit nicht auf alle Fragen eingehen. Nach Ende der Veranstaltung gingen die Teilnehmer*innen zufrieden nach Hause. Eine Teilnehmerin regte an, in der Gemeinde ein Trauercafé einzurichten, damit sich Menschen, die Sterbende begleiten oder begleitet haben, in kleinem Rahmen austauschen können. Diese Anregung wird gerne aufgenommen.

Hubertus Pantlen

Berichte von Teilnehmer*innen

Ich hatte mich zu dem Kurs angemeldet, weil ich mich schon als junger Mensch mit dem Phänomen Sterben und Leben nach dem Tod auseinandergesetzt habe und auch als Krankenschwester keine Scheu vor Sterbebegleitung hatte. Der während der Coronatage erfolgte Tod meiner Schwiegermutter, die wir wegen eines Schlaganfalls Ende letzten Jahres von Krefeld nach Frankfurt in das Pflegeheim „an den Niddaauen“ geholt hatten hat mich nach langer Zeit wieder dazu gebracht über das Thema Sterben und ehrenamtliche Sterbebegleitung nachzudenken und so hatte ich mich ganz spontan an dem Kurs angemeldet, der im Franziskus Aktuell angeboten worden war.
Die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren aus ganz verschiedenen Gründen da, sei es dass sie einen Todesfall zu betrauern hatten, sei es aus beruflichem Interesse oder weil sie bereits Angehörige pflegten oder eine Pflegeproblematik kurz bevor stand.
Frau Hußlein und Herr Pantlen haben uns einen kurzweiligen, lebendigen und einfühlsamen vierstündigen Kurs geboten, der mit Applaus endete.

Abwechselnd haben sie uns durch die Themen

  • Sterben als ein Teil des Lebens
  • Vorsorgen und entscheiden
  • Leiden lindern
  • Abschied nehmen

geführt, der von einer aussagekräftigen Präsentation aber auch mitgebrachtem Anschauungsmaterial begleitet wurde. Bei der Thematik "Leiden lindern - insb. Mundpflege bei Sterbenden, die nicht mehr essen möchten", durften wir alle mal probieren, wie geeiste Früchte den Mund erfrischen können (das tat gut bei den heissen Temperaturen des Tages) und was hier an Pflegeprodukten in der Apotheke angeboten wird. Bei vielen hilfreichen Pflegetipps konnten wir von der jahrelangen praktischen Erfahrung von Frau Hußlein profitieren.

Ganz besonders hat mich aber auch das Thema „vorsorgen und entscheiden“ berührt. Auch hierzu gab es viel Informationsmaterial über Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Ich weiss jetzt auf jeden Fall, dass die Patientenverfügung, die ich vor Jahren gemacht habe nicht mehr auf dem neuesten Stand ist und dass ich dringend auch eine Vorsorgevollmacht erstellen muss. Das geht einfach schriftlich, aber wenn Immobilien zu verwalten sind, dann muss sie von einem Notar beglaubigt sein.
Praktisch fand ich auch die Tipps, auf welche Weise man diese Informationen den Rettungssanitätern im Ernstfall zukommen lassen kann: Hinweis an die Eingangstür auf Infodose im Kühlschrank. Clevere Idee.

Auf jeden Fall waren es keinesfalls vertane 4 Stunden und weil es so spannend war hat man die Sommerhitze und Corona einfach mal vergessen können…

Gabriele Mastmann, Teilnehmerin

Vor einiger Zeit hatte ich vom Angebot “Letzte Hilfe“ in Franziskus aktuell gelesen, aber es versäumt, mich anzumelden. Glücklicherweise wurden die wenigen noch freien Plätze im Gottesdienst verkündet, und ich kam über die Warteliste aufgrund krankheitsbedingter Absagen doch noch kurzfristig in den „Premierenkurs“ in unserer Pfarrei Sankt Franziskus. Ab dem späten Nachmittag wurden uns 15 Teilnehmern die Inhalte von Dr. Bollig überwiegend als powerpoint-gestützter (PPP) Vortrag in 4 Abschnitten abwechselnd von Frau Hußlein und Herrn Pantlen referiert mit einigen praktischen Anteilen und Rückfragen, aber eher wenig Austausch oder Diskussion.
In der Kennenlernrunde formulierten die Teilnehmer unterschiedliche Vorerfahrungen und Erwartungen. Dann ging es um das erste Thema „Sterben ist ein Teil des Lebens“. Einige Aspekte waren mir aus der Familie, aber auch von meiner Tätigkeit im Krankenhaus bekannt. Rückblickend stellt sich für mich der Sterbeprozess meiner Mutter (+2008) in seinen 4 Teilbereichen nach Sauders nun differenzierter dar- ich verstehe ihn noch besser.
„Vorsorgen und Entscheiden“ im zweiten Teil war für mich nochmals ein Hinweis, sich selbst mit diesem Thema auseinanderzusetzen und es besonders auch jungen Menschen, die ebenfalls von Unfallfolgen, Krankheit und Tod jederzeit betroffen sein können, zu empfehlen. „Es ist nichts in Stein gemeißelt“- man kann und sollte seine schriftlich fixierten Entscheidungen regelmäßig an seine derzeitige Lebenslage anpassen. Ich war beeindruckt von den Hilfsangeboten in Frankfurt, wer alles seine Kompetenzen dort einbringt und dass sogar Laien sich in diesen Teams engagieren können nach entsprechender Schulung, dann mit Begleitung und Supervision. Vielleicht würde ich in einem solchen Laien-Kurs als Fortsetzung von heute tatsächlich mehr erfahren, wie ich persönlich mit solchen belastenden Situationen umgehe? „Letzte Hilfe“ richtet den Fokus meiner Wahrnehmung nach doch mehr auf mein Gegenüber als auf denjenigen, der beim Sterben begleitet, obwohl es ein Zusammenwirken, ein Wechselspiel ist.
Im dritten Teil „Leiden lindern“ gab es viele praktische Tipps, die ich zum Teil schon kannte und selbst angewendet habe bei Angehörigen und Patienten. Mir wurden aber nochmals die Unterschiede der Medizin deutlich- im Krankenhaus wird eher „Erste Hilfe“ betrieben, in der Palliativmedizin (zu Hause, im Hospiz…) geht es eben um „Letzte Hilfe“. Dennoch gibt es im systematischen Aufbau beider Hilfen Parallelen.
Der letzte Teil befasste sich mit dem Thema „Abschied nehmen“. Auch hier sind mir rückblickend einige Erinnerungen gekommen, die ich nun besser einordnen kann. Entgegen meiner eigentlichen Erwartung war auch der Abschluss neutral und nicht konfessionell gehalten; es wurden im gesamten Kurs mehr weltliche Texte als Bibelstellen zitiert, sodass das Angebot sich ohne Weiteres an jeden richtet, auch, wenn von unserer Kirchengemeinde Sankt Franziskus angeboten.
Schade, dass kein Skript zu den Inhalten verteilt werden darf und man auf seine Mitschriften der PPP angewiesen ist. Glücklicherweise wurden uns von den Referenten nicht nur vier Stunden interessante und aufklärende Informationen geboten mit einigen wenigen Praxiselementen, sondern sie haben auch Broschüren zum Reinlesen oder Mitnehmen ausgelegt sowie Material für die Praxis verteilt (z.B. Zitronenstäbchen) und eine Teilnahmebestätigung. Ich hoffe sehr, dass es noch viele Folgekurse zu diesem wichtigen Thema gibt und möchte mich bei Frau Hußlein und Herrn Pantlen bedanken: es war trotz Hitze und unter erschwerten Umständen durch Corona für mich persönlich eine wertvolle Bereicherung! Ich kann den Kurs jeder/ jedem Interessierten empfehlen.

Bettina Zechannig, Teilnehmerin